EVA STEFANI
PHILIPP GUFLER
ANTJE ZEIHER
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ATHEN – MÜNCHEN

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26.09.2019 — 22.11.2019

Die Ausstellung „Athen – München“ bringt diesen Herbst in der Galerie Françoise Heitsch drei bemerkenswerte Künstler*innen zusammen und spiegelt dabei das Engagement der Galeristin für die griechische und Münchner Kunstszene wider. Philipp Gufler und Antje Zeiher sind bereits gute Bekannte der Galerie mit mehreren Einzelausstellungen, die griechische Filmemacherin Eva Stefani, Biennale- und Documenta-Teilnehmerin sowie Gewinnerin bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen, wird zum ersten Mal in München gezeigt.
In der Gegenüberstellung solch unterschiedlicher künstlerischer Positionen werden (ästhetische) Erfahrungsräume generiert, die in ihrer Ambivalenz zunächst einmal irritieren. Während „The Box“ von Eva Stefani die Betrachtenden nah an die Realität heran rückt – an die Einsamkeit einer alten Frau, die sich in ständigem Dialog mit ihrer ‚Box‘, dem Fernseher als einzigem Gesprächspartner befindet – rufen Antje Zeihers Bilder etwa Leichtigkeit und pure Freude hervor. Sie erinnern mitunter an Musikstücke, die Etüden oder Bagatellen heißen, obwohl sie eigentlich Hauptwerke sind. Unter den Arbeiten sind großformatige Acrylbilder, Collagen aus Kork und gefaltete Flugzeuge, die Erinnerungen an Schultage hervorrufen, oder aber auch an das Negative, was wir in Zeiten von Flugscham und Drohnenkriegen mit Flugobjekten verbinden mögen. Ihre Werke spielen mit der Abstraktion, denn in den Kompositionen tauchen Alltagsgegenstände wie Briefkuverts auf. Es ist, als ob es einen gedanklichen Kurzschluss geben würde, wobei das Material als Gegenstand erscheint, Gegenstände die Struktur bilden, die Struktur abstrakt wirkt und das Abstrakte durch das Material definiert ist. Darin lassen sich auch kunstgeschichtliche Bezüge erkennen, etwa zur Malerei der Neuen Sicht („De Nieuwe Visie“) der 1970er Jahre, aber anders als dort wird hier nicht behauptet, eine neue Sichtweise entdeckt zu haben (und das Neue erweist sich kunstgeschichtlich ja meist als Irrtum). Insofern ist das Schöne an Zeihers Malerei auch, dass sie ernst und spielerisch zugleich bleibt.
Folgen wir den Papierfliegern, so landen wir bei dem Video „The Box“ (2004) von Eva Stefani im Untergeschoss. Wir sehen eine alte Frau, die mit ihrem Fernseher interagiert und kommuniziert. Als Zeugen dieser emotionalen und auch rührenden Szene, die wie oft bei Stefani zwischen Fiktion und Realismus verortet ist, lernen wir einen Aspekt des Athener Alltags kennen, der gewöhnlich von niemandem gesehen wird. Wie in vielen ihrer Videoarbeiten gelingt es Stefani, Menschen und Geschichten ohne Pathos in Bildern festzuhalten.
Als dritte Position sehen wir, anschließend an seine letzte Einzelausstellung in der Galerie Francoise Heitsch, die Siebdruckarbeiten auf Spiegeln von Philipp Gufler in einer neuen Gegenüberstellung. Sie wirken zunächst wie Deklinationen des Abstrakten und Formalen, in ihnen offenbaren sich aber auch Symboliken und verschiedene kunsthistorische Bezugspunkte. Darüber hinaus wird in den matten Spiegeln ein Aspekt deutlich, der unsere Vorstellung von Abstraktion nachhaltig erschüttert. Wir sehen uns in ihnen immer selbst, und wie Narziss merken wir es oft erst gar nicht, dass wir es sind, die das Werk auch darstellt. Ergänzt werden die Arbeiten durch eine tagebuchartige Recherche mit Bildern und Texten auf langen vertikalen Stoffstreifen, die von Reisen nach Portugal und Oberbayern, Überlegungen zu Ludwig II., Hubert Fichte, intimen Begegnungen und queerer Geschichte zeugen. Das Ganze wirkt wie eine Suche nach einem Erzählen ohne Autorität und festgelegte Identität, so lesen wir dort: „Meine Aufzeichnungen sind Aufzeichnungen von Irrtümern, Fehlschlüssen, Kurzschlusshandlungen.“ Das Selbst wird als ständig Anderes gedacht, und so soll auch in jedem Erkenntnisgewinn und in jeder Zementierung von Gewissheit stets die Möglichkeit des Gegensatzes aufgehoben werden.


Raimund Kühnel




The exhibition “Athen – München” (Athens – Munich) will display and bring together works by three remarkable artists in the Galerie Françoise Heitsch this autumn, reflecting the gallery owner’s ongoing engagement in the Greek as well as the Munich art scene. Philipp Gufler and Antje Zeiher have each already had several solo exhibitions and are well-known to the gallery’s audience; the Greek film maker Eva Stefani, on the other hand, a Biennale- and Documenta participant as well as the winner of the Internationale Kurzfilmtage Oberhausen (International Short Film Days Oberhausen) will be exhibited for the first time in Munich.
Through the juxtaposition of such diverse artistic positions, (aesthetic) realms of experience are generated, which will initially unsettle the audience due to the works’ ambivalence. While “The Box” by Eva Stefani will move the onlookers closer to reality – closer to the loneliness of an elderly woman, who is in a permanent dialogue with her ‘box’, the television as her only conversational partner – Antje Zeiher’s images evoke ease and pure joy. They recall among other things music pieces, referred to as études or bagatelles, although they actually do constitute the main body of the works. Among the works are large-scale acrylic paintings, collages made out of cork, and paper planes, which evoke memories from school, but also the negative, which we today might associate with flight shame and drone war fare. Her works play with abstraction, since her compositions reveal every day objects, such as envelopes. It is, as if there was a conceptual short circuit, where the material itself becomes the object, the objects then form the structure, creating an abstract structure, which eventually defines the abstract through the material. In that respect, art historical relations are revealed; for example, with the paintings of the Neue Sicht (“De Nieuwe Visie”) of the 1970s. Yet, unlike this movement, there will be no assertions of having discovered a new perspective (and seen from an art historical perspective, the new is often proven to be wrong anyway). In this respect, Zeiher’s paintings reveal their beauty by remaining serious and yet playful at one and the same time.
If we follow the paper planes, we will eventually land at the video “The Box” (2004) by Eva Stefani in the basement section of the gallery. We see an elderly woman that interacts and communicates with her television. As witnesses to such an emotional and touching scene, which we often see in Stefani’s work, where both fiction and realism is are located equally, we learn about aspects of every day Athens life, which usually remain hidden. Just as in many of her video works, Stefani succeeds in capturing people and stories without have to restore to pathos in her images.
As the third position, we see as a continuation of his last solo exhibition at the Galerie Françoise Heitsch, the screen print works on mirrors by Philipp Gufler in a new juxtaposition. Initially, they appear to us as declinations of the abstract and the formal, yet, within, they reveal a certain symbolism and different art historical reference points. Furthermore, the matt mirrors reveal the very aspect that will shatter our conception of abstraction lastingly. We always see ourselves, and just as Narcissus, we often do not realise that it is us or we that are depicted by the work itself. The works are complemented by research in diary format including images and texts on long, vertical fabric strips, which recall trips to Portugal and Upper Bavaria, thoughts on Ludwig II, Hubert Fichte, intimate encounters, and queer history. As a whole it appears like the search for a narrative without authority and fixed identity. This is also why we find the following lines: “My records are records of mistakes, fallacies, and rash actions”. The self is conceived as ever changing, and thus at every gain of knowledge and every cementation of certainty, we must still assume the possibility of the opposite.


Raimund Kühnel

Philipp Gufler ( → Artist Website)
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Biography

1989in Augsburg geboren. Lebt und arbeitet in Amsterdam, Niederlande und München
2008 - 2014Studium an der Akademie der Bildenden Künste München
Seit 2013 Mitglied des selbst organisierten Archivs Forum Queeres Archiv München
2015Auszeichnung Bayerischer Kunstförderpreis
2015 - 2017 Residence-Programm De Ateliers, Amsterdam
2018Auszeichnung Förderpreis der Landeshauptstadt München
2019Residence-Programm Skowhegan School of Painting & Sculpture, USA
2021Residence-Programm Delfina Foundation, London, UK
2021Auszeichnung Royal Award for Modern Painting, Netherlands

Solo Exhibitions

2024Kunsthalle Mainz
2022"Unterwerfungen" / Kunstraum der Leuphana Universität, Lüneburg
"Love Planets" (mit Cosy Pièro) / Françoise Heitsch, München
2020"It is Getting Alive" / BQ Berlin, Berlin
"Autoerotismus" / Kevin Space, Wien
"Other histories told by Dirkje Kuik and Philipp Gufler" / Centraal Museum Utrecht (NL)
2019 "I'm in Love with a Scuplture" / Françoise Heitsch, Munich
"King Louis II" / QBBQ's, BQ, Berlin
"Pleasure Pain" / Marwan, Amsterdam
2017"Romankreisen" / BQ Berlin, Berlin
"I wanna give you devotion" / Platform, München
2016"Een gebeuren" / Françoise Heitsch, München
"Setze dein Ich in Anführungsstriche" / Kunstverein Göttingen
2014"Zirkeltraum" / Françoise Heitsch, München
"Gauweilereien" / Schwules Museum*, Berlin
2013Galerie Sassa Trülzsch, Berlin
2012"Eingebildete Männlichkeit" / Akademie Galerie, München

Group Exhibitions

2023"Substitutes" / W139, Amsterdam
“honey, milk and salt in a seashell before sunrise” / Tulca Festival of Visual Arts, Galway
"On Listening" / Lothringer 13, München
2022"FLAM #9" / Arti et Amicitiae, Amsterdam
"Plakatkampagne Residenztheater" / Wintergarten der Pinakothek der Moderne, München
"Neuerwerbungen der Sammlung des Bundes" / Bundeskunsthalle, Bonn
"To Be Seen. Queer Lives 1900–1950", NS Dokumentationszentrum, München
"Exzentrische 80er: Tabea Blumenschein, Hilka Nordhausen, Rabe perplexum und Kompliz*innen aus dem Jetzt", Lothringer13, München, Kunstverein Tiergarten/Galerie Süd, Berlin and Künstlerhaus Hamburg
"The Burnt Letters of Victoria, Kunstverein Grafschaft Bentheim", Neuenhausen
"Tod in Bad Tölz", GFLK Halle Süd, Bad Tölz
"Turning Pain Into Power", Kunst Merano, Italy
"Ufficio Della Notte", Zürich, Schweiz
"Archives in Residency: Forum Queres Archiv München", Haus der Kunst, München
"Queering the Narrative", Neuer Aachener Kunstverein, Aachen
"re:working archives“ / Halle der Platform, München
2021„That Those Beings Be Not Being“ / W139, Amsterdam
"Actually, the Dead Are Not Dead, Part III " / Württembergischer Kunstverein, Stuttgart
"Sweat" / Haus der Kunst, München
"Zeki Müren – Das ausgestellte Leben" / Lovaas Projects, München
"Is it possible to be a revolutionary and like flowers?" / NEST, Den Haag
"Biennale für Freiburg" / BfF Besuchszentrum, Freiburg
2020"Rohstoff Pourquoi" / BQ, Berlin
"Possibilities on paper" / Feinbach Minninger, Köln
"Drawing Restrict: A Growing Exhibition" / Rosa Stern, Munich
"Four Flags" / Bloemstraat 140, Amsterdam
2019"Liebe und Ethnologie: Die koloniale Dialektik der Empfindlichkeit (nach Hubert Fichte)" / Haus der Kulturen der Welt, Berlin
"Maskulinitäten" / Kooperation der Kunstvereine Bonn, Köln & Düsseldorf
2018"Why are my friends such finks" / BQ Berlin
"Pranoid House" / Vleeshal, Middelburg
"Flam Encounter" / Arti et Amicitiae, Amsterdam
"All’estero & Dr. K.’s Badereise nach Riva: Version B" / Croy Nielsen, Wien
"Kirsten Nilsson" / Lothringer13_Florida, München
"Förderpreise der Landeshauptstadt München" / Lothringer13_Halle, München
"Film als Ausstellung / Ausstellung als Film", BNKR, München
"The Hammock" / Galerie Juliette Jongma, Amsterdam
2017"Bei Cosy" / Rongwrong, Amsterdam
"Offspring"/ De Ateliers, Amsterdam
"Berlin Rebel City 03: Belong anywhere" / Hate Magazine, Berlin
"Dialogos Athens 2017" / Diplarios School, Athens
"Berlin Rebel City 03: Belong anywhere" / Hate Magazine, Berlin
2016"You must make your death public"/ De Appel art center, Amsterdam, NL
"Favoriten III"/ Lenbachhaus Kunstbau, München
"I call it Lüttgen"/ Galerie Markus Lüttgen, Köln
"Come Back"/ Generation and Display, London, UK
"Kunstförderpreisträger 2015"/ Galerie der Künstler, BBK, München
2015"Videonale.15" / Kunstmuseum Bonn
"Interview with Erich Haas" / mit Liane Klingler, Lothringer13_Florida, München
"Moby Dyke"/ (w/ Richard John Jones and Lothringer13_Florida), Lothringer13_Florida, München
2014"Your skin made me cry" / various film screenings, Goethe Institute, München
"meine drei lyrischen Ichs" / Einstein Kulturzentrum, München
"Nein" / Platform, München
"How to project and spell" / Galerie Kullukcu München, Circuits and Currents, Athen, Greece and Chisenhale Gallery, London
2013"Gefangen in München" / Festival of Independents, Haus der Kunst, München
"Bild als Bühne" / Galerie für Landschaftskunst Halle Süd, Bad Tölz
"Ja:Aber" / Gedok, Karlsruhe
2012"Redundanz" / Galerie für Landschaftskunst Halle Süd, Bad Tölz
2011"I had dreamed the perfect painting" / Kunstpavillon München
"LaBook" / Lothringer13/Laden, München
"Krieger !" / Francoise Heitsch, München
"Editionen und Multiples" / Radierverein München
"Leihgabe" / Neuerwerbungen der Artothek München
2010"me:beast" / Galerie Stefanie Bender, München
2009"Aufruf zur Phase Null" / W139, Amsterdam als Mitglied

Antje Zeiher ( → Artist Website)
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Biography

1979geboren in Reutlingen
2004Akademie der Bildenenden Künste Stuttgart, Weissenhof
2006Diplom zur Graphik Designerin, Hochschule für Gestaltung, Pforzheim
2009-2016Akademie der Bildenden Künste München
2015Ernennung zur Meisterschülerin
2016Diplom
Billboard Artpreis, Förderung durch die Debütamten Jury Kunstinsel am Lenbachplatz, München; Fanny Carlita Stiftung
2017Atelierförderung der Landeshauptstadt München

Solo Exhibitions

2023"FORMIS" / Galerie Francoise Heitsch, München
2018"FICTION" / Galerie Françoise Heitsch, München
"Tourné" / Galerie Judith Andreae, Bonn
2016"AHOI" / Galerie Francoise Heitsch, München
2014"Ausstellung" / Artsquare - Kunstraum, München

Group Exhibitions

2019"Projekt Z", München
"ATHEN - MÜNCHEN" / Galerie Francoise Heitsch, München
"Take It Easy", Galerie Judith Andreae, Bonn
2018"Ein Tun ohne Bild" / Kunstverein Reutlingen
2017"Tacker" / BBK, München
"Finir en Beauté" / BBK, München
"The Greek counter example" / Diplarios School, Athen; kuratiert von Professor Moutsopoulo / mit u.a. Nikos Alexiou, Philipp Gufler, Aliki Palaska, Antje Zeiher
"Far Off Köln" / Galerie Judith Andreae, Bonn
2016"Painting Forward" / Galerie Judith Andreae, Bonn
"Art Fair Köln" / Galerie Judith Andreae, Bonn
2015"Neue Münchner Malerei VI" / Stefan Vogdt , Galerie der Moderne, München
2013"Ausstellung" / Festival international d’art de Toulouse
2010-2015"Jahresausstellung" / Akademie der Bildenenden Künste, München

Eva Stefani ( → Artist Website)
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Biography

1964in Alexandria, Virginia geboren.
1981 - 1987Politikwissenschaften an der Universität von Athen
1989Dokumentarfilm in den Ateliers Varan in Paris
1989 - 1991Filmwissenschaft und Ethnologischen Film an der New York University
1991 bis 1995Dokumentarfilm-Ausbildung an der National Film and Television School in London
Selected FilmographyManuscript (2017, 12’), Virgin’s Temple (2017, 3’), Incubator (2016, 8’), Ill Not Ill (2014, 19’), Dimitris Papaioannou (2012, 52’), The Return of E.C. Gonatas (2012, 38’), Bathers (2008, 46’), What Time Is It? (2007, 26’), The Box (2004, 11’), Acropolis (2001, 46’, 25’), Reveille (2001, 3’), Prison Leave (2001, 30’), Housemates (1998, 34’), Letters from Albatross (1995, 26’), Athene (1995, 36’), Paschalis (1993, 17’), Μoiroloi (1991, 17’), La Vie en Vert (1989, 16’), Gutters (1987, 12’).
Selected Film FestivalsIDFA, Cinéma du Réel, Margaret Mead Film Festival, FIPA, DocLisboa. Awards: Best Short Film award at Cinéma du Réel, FIPRESCI award at Thessaloniki Documentary Festival, SEE Docs Dubrovnik award.

Solo Exhibitions

201958. Biennale di Venezia, Greek Pavilion, together with Zafos Xagoraris and Panos Charalambous
2016"Hypnos Project" / Onassis Cultural Centre, Athen
2014-2015"Tempus Ritualis" / Galerie im Kornerpark, Berlin
2014"Pre-Text" / Ileana Tounta Contemporary Art Center, Athen
2008"The Archive" / Prometeo Gallery, Mailand

Group Exhibitions

2017"Documenta 14" / Kassel und Athen
2007"Destroy Athens" / 1st Athens Biennale, Athen
Pressetext deutsch

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