PHILIPP GUFLER, THOMAS VON POSCHINGER, BJÖRN WALLBAUM
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KRIEGER!
9.09 – 29.10.2011
In der Vereinsamung der Gesellschaft überlebt der Einzelne tagtäglich den Kampf seines Daseins, mit dem Ziel des Sieges seiner Individualität; der Krieger bemüht sich im kämpferischen Spiel um Akzeptanz, Anerkennung und Integrität. Als ein einzelner (Gesellschafts-)Krieger, tapfer und stur, durchforstet er stolz die Grenzen der Machbarkeit und Möglichkeit, auf der Suche nach der Unberührbarkeit der Welt und erkämpft sich im Alleingang die formbare Normalität seiner Selbst. In der Konzeptualisierung begreifen wir die verschleierte Sicht der unausgesprochenen Dinge und die Anschauung der Welt ist plötzlich erfüllt von der Offenkundigkeit des stetig geforderten und furchtlosen Kämpfers in uns.
Strammstehend wie ein Krieger zwingt uns die lebensgroße Säule von PHILIPP GUFLER zum Dialog. Magnetisiert von der Anziehungskraft des Irritierenden nähert sich der Betrachter der fiktiven Person, die sein Gegenüber in Größe und Erhabenheit scheinbar zu provozieren versucht. Lichter spiegeln sich darin, die Farben reflektieren, Mattigkeit überzieht die Fronten mit einem Film der Poetisierung. Das Gegenüber antwortet mit einem Spiegelbild, ein Bild, das sich – verwundert über die unebene Fläche mit Abdrücken, Schlieren und Verletzungen der Schicht – dennoch wieder erkennt, sich selbst und den ihn umgebenden Raum. Die Statue erstrahlt friedlich in allen Farben und jegliche Verwunderung des Ausdrucks ihres „Kontrahenten“ über die bunte Reflexion scheint sie in ihrem polemischen und unumgänglichen Zwiegespräch zufrieden zu stellen, ohne dabei eine Antwort zu erwarten. Vielmehr verkündet sie standfest und stolz von den Menschen am „Spiegelrand“ und den gesellschaftlichen Besonderheiten, die sie schillernd und dennoch trüb in den Farben des Regenbogens überträgt, auf die sogenannte „gayprideflag“ anspielend, der sich der Betrachter in Verzückung und gleichzeitiger Zurückhaltung stellt. Der Spiegelsäule „Pride III“ steht ein Tisch gegenüber, auf dem der Künstler eine Sammlung von selektiert persönlichen Reliquien, Siebdrucken, Texten, Ideen und Vorstellungen andächtig dem Betrachter offenbart, gleich einer Verkündigung des Gewissens und Bewusstseins.
Die Menschen in den Fotografien von THOMAS VON POSCHINGER empfangen den Betrachter in ihrem alltäglichen Milieu. Gleich einem Zeitzeugen durchlebt er den Moment, dem er wie zufällig und ungestört beiwohnen darf und fühlt sich dabei als willkommenes Mitglied der Gesellschaftsszenerie. Die Protagonisten nehmen den „Bildermacher“ zwar wahr, richten ihr Dasein und Bewusstsein aber ganz auf ihr eigenes Daseinsmoment. Der Schauplatz des Augenblicks ist allen vertraut, doch der Ausschnitt bzw. Beschnitt der Szene, die Darstellung von Zwischenräumen, in denen sich die Helden kurzzeitig aufhalten – teils dem Moment wieder entschwunden, oder im Begriff, den Schauplatz unbewußterweise zu verlassen – erhöht das Erfasste zur Inszenierung und man spielt kurzfristig mit der Mutmaßung, das Ganze gleiche einer theatralischen Inszenierung, in denen die Figuren ihre ihnen zugewiesene Rolle spielen. Thomas von Poschinger schafft in wieder erkennbaren Umfeldern mit vertrauten Menschen eine unideologische Bühne von unbedeutend wirkenden Szenarien, die allerdings bei genauerem Betrachten eine exotische Vielschichtigkeit betonen und die Frage nach (sozialer) Herkunft und (gesellschaftlichem) Ziel thematisieren.
In der Collagierung der Gegebenheiten stellt sich BJÖRN WALLBAUM der Polemisierung der Welt und verführt den Betrachter zur Parodie seiner Wesenszüge und Anschauungen. Seine konzeptuellen „Krieger“ wirken in ihrer Stringenz und ordentlichen Erscheinung beinahe ironisch, dennoch spüren wir in ihrer Geradlinigkeit den Hang zur Monumentalität und Stille, wie es nur ein passiver Gedankenkrieger zustande bringen würde. Das zweilagige Stoffdreieck erinnert an einen Wimpel, an einer Kordel hängend, die in ihrer Gleichförmigkeit das Negativ beschreibt bzw. den Wimpel zur Raute vollendet. In Reihung gleichen diese „Krieger“ einer Armee in Position, bereit zum Angriff, ohne den Verlust ihrer Erhabenheit einbüßen zu müssen. Im Untergeschoß vollführen zwei Alltagsgegenstände einen Tanz von Zwischenmenschlichkeiten, deren Symbolträchtigkeit den Betrachter die Offensichtlichkeit der Tatsachen bestaunen lässt. Ein Kühlschrank und eine Matratze umarmen sich, sind aneinander gekettet, spiegeln sich auf ihrem Untergrund, der eine im anderen, kein Tanzpartner kann ohne den anderen, sie begründen und ermöglichen sich gegenseitig und bedeuten in einer Klarheit die einzigen zwei elementaren Notwendigkeiten des Lebens. Thematisch dem gegenüber steht der Einzelkämpfer in „It ́s a fucking hard life“, der die Unmöglichkeit akzeptieren muss, die zwei mit Beton gefüllten Aldi-Tüten zu bewegen, geschweige denn sich aus ihrer Schwere zu befreien. Im Alleingang stellt sich der Einzelne der Ironie seines Schicksals, kämpft sich voran, überlebt in einer Umarmung aus humorvoller Gesellschaftlichkeit und gleichzeitiger Hilflosigkeit, sich aus dem kriegerischen Getümmel loszureißen und das Gewicht der Unterwürfigkeit und Klassifizierung plötzlich ermutigt und tapfer stemmen zu können.
Philipp Gufler ( → Artist Website)
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Biography
Solo Exhibitions
"Dis/Identification", zusammen mit Melanie Bonajo / Kunsthalle Mainz
"Love Planets" (mit Cosy Pièro) / Françoise Heitsch, München
"Autoerotismus" / Kevin Space, Wien
"Other histories told by Dirkje Kuik and Philipp Gufler" / Centraal Museum Utrecht (NL)
"King Louis II" / QBBQ's, BQ, Berlin
"Pleasure Pain" / Marwan, Amsterdam
"I wanna give you devotion" / Platform, München
"Setze dein Ich in Anführungsstriche" / Kunstverein Göttingen
"Gauweilereien" / Schwules Museum*, Berlin
Group Exhibitions
“honey, milk and salt in a seashell before sunrise” / Tulca Festival of Visual Arts, Galway
"On Listening" / Lothringer 13, München
"Plakatkampagne Residenztheater" / Wintergarten der Pinakothek der Moderne, München
"Neuerwerbungen der Sammlung des Bundes" / Bundeskunsthalle, Bonn
"To Be Seen. Queer Lives 1900–1950", NS Dokumentationszentrum, München
"Exzentrische 80er: Tabea Blumenschein, Hilka Nordhausen, Rabe perplexum und Kompliz*innen aus dem Jetzt", Lothringer13, München, Kunstverein Tiergarten/Galerie Süd, Berlin and Künstlerhaus Hamburg
"The Burnt Letters of Victoria, Kunstverein Grafschaft Bentheim", Neuenhausen
"Tod in Bad Tölz", GFLK Halle Süd, Bad Tölz
"Turning Pain Into Power", Kunst Merano, Italy
"Ufficio Della Notte", Zürich, Schweiz
"Archives in Residency: Forum Queres Archiv München", Haus der Kunst, München
"Queering the Narrative", Neuer Aachener Kunstverein, Aachen
"re:working archives“ / Halle der Platform, München
"Actually, the Dead Are Not Dead, Part III " / Württembergischer Kunstverein, Stuttgart
"Sweat" / Haus der Kunst, München
"Zeki Müren – Das ausgestellte Leben" / Lovaas Projects, München
"Is it possible to be a revolutionary and like flowers?" / NEST, Den Haag
"Biennale für Freiburg" / BfF Besuchszentrum, Freiburg
"Possibilities on paper" / Feinbach Minninger, Köln
"Drawing Restrict: A Growing Exhibition" / Rosa Stern, Munich
"Four Flags" / Bloemstraat 140, Amsterdam
"Maskulinitäten" / Kooperation der Kunstvereine Bonn, Köln & Düsseldorf
"Pranoid House" / Vleeshal, Middelburg
"Flam Encounter" / Arti et Amicitiae, Amsterdam
"All’estero & Dr. K.’s Badereise nach Riva: Version B" / Croy Nielsen, Wien
"Kirsten Nilsson" / Lothringer13_Florida, München
"Förderpreise der Landeshauptstadt München" / Lothringer13_Halle, München
"Film als Ausstellung / Ausstellung als Film", BNKR, München
"The Hammock" / Galerie Juliette Jongma, Amsterdam
"Offspring"/ De Ateliers, Amsterdam
"Berlin Rebel City 03: Belong anywhere" / Hate Magazine, Berlin
"Dialogos Athens 2017" / Diplarios School, Athens
"Berlin Rebel City 03: Belong anywhere" / Hate Magazine, Berlin
"Favoriten III"/ Lenbachhaus Kunstbau, München
"I call it Lüttgen"/ Galerie Markus Lüttgen, Köln
"Come Back"/ Generation and Display, London, UK
"Kunstförderpreisträger 2015"/ Galerie der Künstler, BBK, München
"Interview with Erich Haas" / mit Liane Klingler, Lothringer13_Florida, München
"Moby Dyke"/ (w/ Richard John Jones and Lothringer13_Florida), Lothringer13_Florida, München
"meine drei lyrischen Ichs" / Einstein Kulturzentrum, München
"Nein" / Platform, München
"How to project and spell" / Galerie Kullukcu München, Circuits and Currents, Athen, Greece and Chisenhale Gallery, London
"Bild als Bühne" / Galerie für Landschaftskunst Halle Süd, Bad Tölz
"Ja:Aber" / Gedok, Karlsruhe
"LaBook" / Lothringer13/Laden, München
"Krieger !" / Francoise Heitsch, München
"Editionen und Multiples" / Radierverein München
"Leihgabe" / Neuerwerbungen der Artothek München