KLAUS VOM BRUCH
ANTJE ENGELMANN
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IN A BODY
curated by SUSANNE WEIß
Klaus vom Bruch, Antje Engelmann - In a body
Das Leben besteht aus Bezügen. Antje Engelmann und Klaus vom Bruch sind zwei Künstler:innen, die sich innerhalb ihrer autoethnografischen Untersuchungen in einem Netz von Beziehungen verorten. Gesellschaften werden durch Konventionen wie ein Korsett zusammengehalten. Sie kreieren moralische Gerüste, die sich bis zur existenziellen Atemnot ausdehnen können. „In a Body“ präsentiert neue Werkkompositionen, die das Ausbrechen aus Normierungen thematisieren. Es sind die abwesenden Körper, die transzendent in Erscheinung treten.
„... es lebe der Krieg, nicht wahr?“
Die Ausstellung beginnt mit einem Triptychon von Klaus vom Bruch. Sein Kirchenfenster ist ein Pranger. Anklage trifft auf den Übergang von einer Welt zur nächsten: „Schluss mit dem Gottesgericht" („Pour en finir avec le jugement de Dieu"), lautet das Hörspiel des französischen Surrealisten und Grenzgängers Antonin Artaud (1896–1948), das er kurz vor seinem Tod einspielte. Doch seine Performance war so radikal, dass sie „wegen Ungebührlichkeit“ aus dem Programm genommen wurde – erst Jahrzehnte später konnte das Stück ausgestrahlt werden. Klaus vom Bruch schafft mit seiner Installation ein Lehrstück, das sendet und empfängt. Eine Antenne ist der Erdung enthoben, Artaud denkt laut, spricht gegen die Zustände an und trifft auf antagonistische Heiligenbilder.
Übertragungen sind tief in unsere Körper eingeschrieben. Die Folgen der transgenerationalen Weitergabe von Traumata lassen sich nicht aufhalten und treten in unterschiedlichster Form in Erscheinung. Antje Engelmann bricht mit ihrer Kunst beständig den tradierten Pakt des Schweigens. In ihrer neuen Installation „Die Blumen des Bösen“ („Les Fleurs du Mal“) widmet sie sich der Mythologie und Kraft der Pflanzen. Je nach Dosierung entfalten sie wundersame Wirkungen oder können tödlich sein. Ausgehend von den Pflanzenwirkstoffen des bis 1981 frei verkäuflichen Herz-Kreislauf-Tonikums „Frauengold“ entwickelt Engelmann eine neue Arbeitsserie. Ihre z. T. toxischen Bestandteile, wie die Brechnuss, die bei „Wüstheit im Kopfe“ eingesetzt wurde, oder die krebserregende Osterluzei, spiegeln eine medizinisch legitimierte Kontrolle über den weiblichen Körper wider. Von Steinen erdrückt, zeigt sie sich selbst am Ufer liegend – eine Referenz an Meret Oppenheims Werk „Steinfrau“. Oppenheim, die in einer 18-jährigen Schaffenskrise steckte, schrieb dazu: „Es war vielmehr, als würde die jahrhundertealte Diskriminierung der Frau auf meinen Schultern lasten, als ein in mir steckendes Gefühl der Minderwertigkeit.“
Susanne Weiß
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Klaus vom Bruch, Antje Engelmann - In a body
Life is made up of references. Antje Engelmann and Klaus vom Bruch are two artists who locate themselves in a network of relationships within their autoethnographic investigations. Societies are held together by conventions like a corset. They create moral frameworks that can extend to existential breathlessness. “In a Body” presents new work compositions that focus on breaking out of norms. It is the absent bodies that make a transcendent appearance.
“... long live war, isn't it?”
The exhibition begins with a triptych by Klaus vom Bruch. His church window is a pillory. Accusation meets the transition from one world to the next: “Schluss mit dem Gottesgericht” (“Pour en finir avec le jugement de Dieu”) is the radio play by the French surrealist and border crosser Antonin Artaud (1896-1948), which he recorded shortly before his death. However, his performance was so radical that it was removed from the program “due to impropriety” - the play could only be broadcast decades later. Klaus vom Bruch's installation is a didactic piece that transmits and receives. An antenna is deprived of grounding, Artaud thinks out loud, speaks out against the conditions and encounters antagonistic images of saints.
Transmissions are deeply engraved in our bodies. The consequences of the transgenerational transmission of trauma cannot be stopped and appear in a wide variety of forms. Antje Engelmann constantly breaks the traditional pact of silence with her art. In her new installation “The Flowers of Evil” (“Les Fleurs du Mal”), she devotes herself to the mythology and power of plants. Depending on the dosage, they can have miraculous effects or be deadly. Engelmann developed a new series of works based on the active plant ingredients of the cardiovascular tonic “Frauengold”, which was freely available until 1981. Its partly toxic ingredients, such as nux vomica, which was used for “desolation of the head”, or the carcinogenic osterluzei, reflect a medically legitimized control over the female body. Crushed by stones, she shows herself lying on the shore - a reference to Meret Oppenheim's work “Stone Woman”. Oppenheim, who was in the midst of an 18-year creative crisis, wrote: “It was more as if the centuries-old discrimination against women weighed on my shoulders than a feeling of inferiority within me.”
Susanne Weiß
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Klaus vom Bruch wurde 1952 in Köln geboren. Von 1975-76 studierte er am California Institute of the Arts in Valencia bei John Baldessari und von 1976-79 Philosophie an der Universität Köln. Von 1992–1998 war er Professor für Medienkunst an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, von 1999–2018 war er Professor für Medienkunst an der Akademie der Bildenden Künste in München.
Antje Engelmann ist Künstlerin und derzeit Professorin an der Universität der Künste Berlin. In ihren multimedialen Installationen, Filmen und Performances erforscht sie die Verknüpfung persönlicher und gesellschaftlicher Narrative, oft unter Einbezug feministischer und soziologischer Fragestellungen sowie Bildtheorien und Körperdiskurse. Geprägt durch ihre Ausbildung als Tänzerin spielt der Körper dabei eine zentrale Rolle als Träger und stetiger Generator von Wissen. Ihre Werke wurden international ausgestellt und auf Filmfestivals gezeigt. Sie erhielt verschiedene Auszeichnungen, darunter das Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium, ein DAAD-Stipendium und das Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds.